Offener Brief der Fachschaften zur aktuellen Prüfungsphase

Sehr geehrte Professorinnen und Professoren der RWTH,
sehr geehrte Lehrende und Mitarbeitende an den Lehrstühlen,

durch die Pandemie sind Studierende und Mitarbeitende der Hochschule gleichermaßen durch fehlende Planbarkeit, kurzfristige Regelungen und den allgemeinen Lockdown stark belastet. Wir verstehen, dass die Situation auch für die Hochschulleitung und die Lehrstühle herausfordernd ist. Vor allem aber Studierende werden durch wechselnde und ausfallende Klausurtermine in ihrer Vorbereitung dermaßen beeinträchtigt, dass eine geregelte Prüfungsphase und damit ein planbarer Studienfortschritt unmöglich werden. Kurzfristige Absagen von Prüfungen führen dazu, dass Lernpläne verworfen und die individuelle Klausurphase völlig neu geplant werden müssen. Wertvolle Zeit und Kraft, die zur Vorbereitung anderer Prüfungen hätten genutzt werden können, gehen dabei verloren. Durch Verzögerungen in das Sommersemester hinein entsteht zudem eine erhebliche Doppelbelastung, wie wir sie bereits vor einem Jahr erlebt haben. Lerninhalte des neuen Semesters müssen zugunsten der Prüfungsvorbereitung vernachlässigt werden, was sich wiederum auf die nächste Prüfungsphase auswirkt.
Zu bedenken sind außerdem besonders betroffene Gruppen wie ausländische Studierende, die eine erschwerte Einreise planen müssen, Austauschstudierende, die zum Semesterende wieder zurück in die Heimat gehen oder Studierende mit Behinderung und chronisch Kranke, die auch in einigen Monaten nicht an Präsenzprüfungen teilnehmen können. Die Folge für diese Gruppen wie auch alle Anderen ist eine langfristige Studienverzögerung.

Seit Beginn des Jahres wachsen die Bemühungen auf allen Seiten, alternative Wege der Prüfungsdurchführung zu ermöglichen. Einige Lehrstühle haben dabei bereits sehr früh ihre Klausurkonzepte angepasst und pragmatische Lösungen in dieser herausfordernden Zeit gefunden. Als Studierendenvertretungen stehen wir in engem Kontakt mit den Lehrstühlen und Entscheidungstragenden, um die Bedürfnisse der Studierendenschaft zu vertreten und unsere Hilfe einzubringen. Bei all jenen engagierten Lehrstühlen, Dozierenden, wissenschaftlichen Mitarbeitenden und studentischen Hilfskräften möchten wir uns an dieser Stelle ganz ausdrücklich für ihre tolle Arbeit bedanken!

Leider müssen wir aber auch feststellen, dass in einzelnen Fällen eine fehlende Bereitschaft besteht, Kompromisse einzugehen, langfristige Planung anzustreben und letztendlich die eigene Prüfung der Situation anzupassen. Alternative Prüfungskonzepte werden in der Folge kategorisch abgelehnt, ohne dafür stichfeste Begründungen zu liefern. Das CLS investiert enorm viel Zeit in die Planung von alternativen Prüfungsformaten und deren Umsetzungsmöglichkeiten. Die Grundlagen und Rahmenbedingungen wurden also bereits geschaffen und bilden ein Fundament, auf das wunderbar aufgebaut werden könnte.

Wir sind uns bewusst, dass in dieser Klausurphase nicht in allen Fällen die hohe Qualität von Lehre und Prüfungen vollumfänglich und ohne Abstriche gewährleistet werden kann. Der Gewinn durch alternative Formate – also eine große Plan- und Realisierbarkeit – bleibt aber unbestritten und muss eindeutig über mögliche Qualitätseinbußen abgewogen werden. Natürlich verstehen wir, dass nicht jede Prüfung digital angeboten oder umgewandelt werden kann. In einigen Fällen entsteht bei uns jedoch der Eindruck, dass alternative Formate nur unzureichend oder gar nicht in Erwägung gezogen werden.

Wir fordern von allen Dozierenden, die weiterhin auf Präsenzklausuren in diesem Semester spekulieren, ihre Haltung nachdrücklich zu hinterfragen. Nehmen Sie die Angebote des CLS wahr und holen sie sich Erfahrungswerte bei anderen Lehrstühlen ein. Was möglich ist, zeigt sich durch zahlreiche positive Beispiele in den vergangenen Wochen. Dabei sind viele kreative Formate entstanden und neue Möglichkeiten der Prüfungsdurchführung ausprobiert worden. Es ist im Interesse aller, eine langfristige Perspektive zu schaffen und auch im Angesicht der gesellschaftlichen Vorbildfunktion unserer Hochschule wichtig, im Sinne des Infektionsschutzes verantwortungsvolle Entscheidungen zu treffen.

Wir unterstützen das Rektorat in seinerForderung der Durchführung digitaler Prüfungen, wünschen uns dabei aber noch mehr Nachdruck gegenüber jenen Lehrstühlen, die das nicht in Betracht ziehen. Die klare Aufforderung sollte dabei über den 7. März hinausgehen, um Planungssicherheit und eine geregelte Prüfungsphase zu ermöglichen. Die Pandemie wird auch bis zum Ende des Sommersemesters nicht vorbei sein und es ist weiterhin völlig unklar, ob in naher Zukunft wieder Klausuren in Präsenz geschrieben werden können und sollten. Daher fordern wir als Studierendenvertretungen alternative Prüfungsformate auch für die kommenden Monate.

Gerne stehen wir für den Dialog und zur Unterstützung zur Verfügung, falls es Unsicherheiten bei der Durchführung oder dem Ersatz von Prüfungen gibt. In jedem Falle danken wir für Ihre Mühen und hoffen, dass das kommende Semester wieder etwas ruhiger wird.

Mit freundlichen Grüßen,
Die unterzeichnenden Fachschaften

Fachschaft Medizin
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